Social Impact Investing ist mehr als ESG

Wenn Konzepte in aller Munde sind, droht die Gefahr, dass die Begriffe durch­einander­geraten. Laura Götz, Doktorandin des EBS Real Estate Management Institute, stiftet Klarheit. Was also ist Social Impact Investing in der Immobilien­wirtschaft? Wo steht die Wissen­schaft? Und muss Social Impact mit einem Renditeverzicht einhergehen?

Laura Götz

Impact Investing – auch „wirkungsorientiertes Investieren“ – erfuhr in den vergangenen Jahren eine besondere Dynamik: Soziale und ökologische Belange spielen keine nebensächliche Rolle mehr. Sie treten sowohl in unserem privaten als auch in unserem beruflichen Leben zunehmend in den Vordergrund. Mit der Definition der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen wurde ein globaler, übergreifender Startschuss für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung gegeben. Es folgten eine Reihe weiterer regulatorischer Rahmenwerke, die konkrete Ziele, ­ initiiert wurde. In logischer Folge der Umwelttaxonomie hat die Sustainable-Finance-Plattform  der EU-Kommission im Februar 2022 mit einem ersten Entwurf zur Sozialtaxonomie einen neuen regulatorischen Meilenstein gelegt. In dieser werden erstmalig die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN in Bezug auf soziale Ziele nach Stakeholdern differenziert dargestellt.

Diese rasante Entwicklung hinsichtlich nachhaltig sozialer Wirkungen ist zugleich eine riesige Herausforderung als auch Chance für die Immobilienwirtschaft – ihre Möglichkeiten zur Einflussnahme im ökologischen und sozialen Bereich sind zentral.

Impact Investments sind Investitionen, die mit der Absicht getätigt werden, neben einer finanziellen Rendite auch positive, messbare soziale und ökologische Wirkungen zu erzielen. Wichtig ist, dass die betreffenden Wirkungen unter sonst gleichen Bedingungen mit konventionellen Investitionen nicht erzielt worden wären. Diejenigen Wirkungen, die sowieso eingetreten wären (oft als „Deadweight“ bezeichnet), dürfen bei der Ermittlung des Impact-Beitrags nicht mitberücksichtigt werden. Es geht also um einen kausalen Zusammenhang zwischen einer sozial und/oder ökologisch nachhaltigen Aktivität und deren (messbarer) Wirkung. Diese „Zusätzlichkeit“, auch „Additionalität“, ist der Kern des Impact Investing. Es ist auch diese Additionalität, die Social Impact von dem „S“  aus dem ESG-Akronym unterscheidet. Es geht eben darum, die wesentlichen ökologischen, ökonomischen oder sozialen und gesellschaftlichen Probleme zu erkennen und für bestimmte Stakeholderguppen positive Wirkungen zu erzielen und messbar zu machen.

Im Unterschied zu ökologischen Aspekten ist das Erfassen eines Wertbeitrags im sozialen Bereich deutlich herausfordernder: Daher beschäftigt derzeit insbesondere das Thema Social Impact und im Speziellen die Messbarkeit des oft als „soft“ beschriebenen „S“ die Immobilienwirtschaft. Dabei gibt es schon einiges an Literatur aus Forschung und Praxis, die aufzeigt, wie soziale Wertbeiträge berechnet werden können. Meist findet sich diese Literatur unter der Methodik „Social Return on Investment“ (SROI). Diese Analysemethode zur Wirkungsforschung wurde in der Mitte der 1990er Jahre erstmalig durch den Robert Enterprise Development Fund in San Francisco angewendet. In dem vorgestellten Rahmenwerk wurde der gesellschaftliche Nutzen von Maßnahmen zur Integration von Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt gemessen. Insbesondere in den letzten Jahren wurde die SROI-Methode auf eine Reihe von anderen Anwendungsfällen inklusive derer von Immobilien bezogen. Meist begrenzen sich die Anwendungsfälle jedoch auf soziale Wohnformen oder Pflege. Zentral für diese Studien ist die Fragestellung, wie sich ein sozialer Nutzen (näherungsweise) ökonomisch, idealerweise in Geldeinheiten bewertet, darstellen lässt. Der SROI setzt, analog der betriebswirtschaftlichen Kennzahl der Kosten-Nutzen-Analyse, den Impact (den Nutzen) einer Aktion ins Verhältnis zu deren Aufwand (die Kosten).

Die Vorteile für die numerische Ermittlung eines sozialen Wertbeitrags liegen auf der Hand: Legitimität für Investoren, „Monitoring“ der Wirkungen, Attraktion von Finanzmitteln, Lenkung der Kapitalströme und vielleicht sogar eine verbesserte Unternehmenskultur und Mitarbeiterbindung. Auf der anderen Seite sind fehlende Vergleichbarkeit, Subjektivität und ein vertretbarer Ressourcenaufwand oft kritisch zu bewerten. Darüber hinaus bestehen sektor- und assetklassenspezifische Besonderheiten. Die Übertragbarkeit dieser Studien auf die heterogenen Assetklassen der Immobilienwirtschaft ist also nicht unbedingt gegeben. Hier hat das Real Estate Management Institute (REMI) der EBS für das Institut für Corporate Governance in der Deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) ein Scoring-Modell zur Messbarkeit des Social Impact bei Quartieren und verschiedenen Assetklassen erarbeitet, das nicht nur die konkrete Wirkungsmessung, sondern auch ein Benchmarking ermöglicht. Ein weitgehend undefiniertes beziehungsweise noch wenig geformtes Themenfeld und gleichzeitig eine große Fragestellung besteht in dem Zusammenhang zwischen sozialen Wertbeiträgen und der ökonomischen Renditebetrachtung. Um hier ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, hat sich das REMI der EBS und die TU Darmstadt im Rahmen einer Auftragsstudie für das ICG („Social Impact Investing – Rendite. Wert. Wirkung“) unter anderem der Fragestellung gewidmet, inwieweit Social Impact zu einer Neubetrachtung etablierter Kalkulationen und Bewertungen führen kann oder muss. Daran anschließend stellt sich die Frage, ob mit Social Impact Investing in Immobilien eine marktübliche oder sogar eine bessere finanzielle Rendite erzielt werden kann als mit herkömmlichen Immobilieninvestments. Oder ob damit ein Renditeverzicht einhergeht.

Eines vorweg, Impact Investing soll und kann natürlich finanzielle Renditen generieren – das ist auch ein Unterschied zum philanthropischen Investieren, wo der Investor bereit ist, vollständig auf seine Rendite zu verzichten. Allerdings wird es Stand heute nahezu unmöglich sein, eine Marktrendite oder sogar höhere Renditen zu erzielen – und zwar aufgrund folgenden Prinzips: Investoren erwarten für ein höheres Risiko eine höhere Rendite. Solange Social Impact jedoch noch eine freiwillige Aufgabe darstellt, bildet die Nichterfüllung eines sozialen Impacts von Immobilien noch kein bepreisungswürdiges Risiko ab. Stand heute stellt Social Impact vielleicht die Kür eines Investments dar, geht aber tendenziell zulasten der finanziellen Rendite. Wenn beispielsweise in Quartieren (übrigens, neben Wohnen die wohl relevanteste Assetklasse für Social Impact, wie unsere Expertenbefragung im Rahmen der Auftragsstudie ergeben hat) einer bestimmten Zielgruppe, die sonst nicht die finanziellen Möglichkeiten gehabt hätte, ein Teil der Flächen zu einer niedrigeren Miete angeboten wird, um Diversität zu fördern, dann reduziert das die monetäre Rendite. Dieser Zusammenhang lässt sich erst dann durchbrechen, wenn Kapitalströme zunehmend hin zu Impact Investments gelenkt werden. Und – machen wir uns nichts vor – das passiert (von einigen wenigen intrinsisch oder philanthropisch orientierten Investoren, um die es hier nicht geht) eher nicht ohne Anreiz oder Zwang. Der Kern dieses Anreizes liegt in dem Erkaufen von Sicherheit. Sogenannte Impact-Investoren akzeptieren unter Umständen zu Beginn eine geringere Rendite und erkaufen sich dadurch langfristig Wertstabilität und vielleicht sogar Wertsteigerungspotenzial sowie eventuell eine bessere zukünftige Vermarktbarkeit. Dieser Effekt der Sicherheit entsteht jedoch nur dann, wenn umgekehrt angenommen wird, dass Immobilieninvestitionen, die keinen Social Impact leisten, weniger nachgefragt werden. Und das passiert nur dann, wenn auch von der Legislative soziale Wirkungsbeiträge konsequent gefordert werden. Eine Verankerung eines sozialen Wertbeitrags in Investitionsentscheidungen scheint daher mit der Bedingung verknüpft, ein materielles Risiko für Investoren zu schaffen (unter anderem durch Regulatorik, verstärkte Investorennachfrage und Steuerung durch die Kreditvergabe).

Blicken wir nun ein paar Jahre in die Zukunft: Wenn die Dynamik an regulatorischen Maßnahmen weiterhin so fortschreitet und Social Impact in der Zukunft keine rein freiwillige Aufgabe mehr darstellt, dann wird es verschiedene Mechanismen geben, die auf die klassische Renditebetrachtung einwirken. Hierfür kann exemplarisch die in der Immobilienwirtschaft breit etablierte Renditekennzahl, der Total Return, herangezogen und modellhaft um zwei Mechanismen erweitert werden: Der erste Mechanismus geht von einer verursachungsgerechten Übertragung der sozialen Kosten an die Eigentümer der Immobilie aus. Dieser Mechanismus könnte in Form einer Steuer analog zur CO₂-Besteuerung oder als soziale Gebühr erhoben werden. Diese könnte zum Beispiel direkt mit der Grundsteuer erhoben werden. Beispielsweise kann die entsprechende Kommune von dieser Abgabe soziale Projekte in ihrem Gemeindegebiet umsetzen. Hier müsste allerdings überlegt werden, wie eine entsprechende Steuererleichterung zu berücksichtigen wäre, wenn die Immobilienwirtschaft (also weitestgehend private Unternehmen) soziale Leistungen übernehmen (etwa öffentliche Kindertagesstätten oder Museen), die eigentlich in das Aufgabenspektrum des Staates fallen würden.

Der zweite möglicherweise entstehende Mechanismus ist weitaus intuitiver: Wenn durch gesetzliche Vorschriften, die einen gewissen Anteil an Social Impact fordern (zum Beispiel in Form einer Social-Impact-Mindestvorgabe eines gewissen Prozentsatzes in jedem Fonds/Portfolio), dann erfolgt eine Investitionslenkung der Kapitalflüsse, was die Nachfrage und die Preise nach diesen Social Impact Assets erhöht. Anders ausgedrückt kann analog der Integration ökologischer Maßnahmen und dem daraus mittlerweile entstandenen „Green Premium“ für soziale Beiträge in Zukunft ebenfalls ein „Social Impact Premium“ definiert werden.

Für diejenigen, die sich innerlich gegen diesen regulatorischen Eingriff auflehnen, haben wir folgende hoffnungsvolle Botschaft: Ganz oft wird Social Impact sowieso schon realisiert, weil beispielsweise in der Grundstücksvergabe gefordert wird, dass ein gewisser Anteil der Entwicklung für soziale Zwecke genutzt oder zur Verfügung gestellt wird, mit dem Unterschied, dass Social Impact nun transparent gemacht wird. Ergo: Diejenigen, die sowieso schon etwas tun, werden dann (erstmalig) dafür belohnt.

Laura Götz ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Real Estate Management Institute der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden. Sie hat einen M.Sc. in Immobilienwirtschaft der IREBS (Universität Regensburg) und einen Master in Valuation and Property Development der Bond University, Australien. Seit 2019 ist sie außerdem bei der KPMG im Bereich Deal Advisory – Real Estate beschäftigt.

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