Der Tonfall des Mannes ist selbstbewusst. Hier ist jemand überzeugt von dem, was er sagt. „Man ist nah an allem, hat alle notwendigen Geschäfte, es ist ruhig und dynamisch zugleich“, schwärmt Benjamin, Mitte 40, mit einer Einkaufstasche in der Hand. Der Immobilienmakler, der seit 20 Jahren in der französischen Hauptstadt tätig ist und im Viertel Bonne-Nouvelle im 2. Arrondissement wohnt, hat sich vor allem wegen der guten Anbindung an Dienstleistungen, Verkehrsmittel und Arbeitsplätze in dieser Gegend niedergelassen. Katharine, eine deutsche Anwältin, die ebenfalls in diesem Bezirk wohnt, berichtet:
Heute fahre ich alles mit dem Fahrrad, was vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.“
Diese wenigen Aussagen wurden an einem Freitagnachmittag in einer Straße des Viertels gesammelt, das von der Tageszeitung Le Parisien als Nummer eins eingestuft wurde, um „im Rhythmus der 15-Minuten-Stadt“ zu leben. Sie könnten in den zahlreichen Artikeln stehen, die die Stadtverwaltung von Paris regelmäßig online stellt, um ihre Politik der Bürgernähe in der Stadt zu veranschaulichen. In diesen Werbebeiträgen werden die Vorzüge verschiedener Viertel der Hauptstadt gelobt und die Politik der Stadtverwaltung hervorgehoben, die seit einigen Jahren das Konzept der 15-Minuten-Stadt auf alle Bezirke der Stadt anwenden möchte. Die Formel fasst eine Stadtpolitik zusammen, die darauf abzielt, dass man in der Nähe seiner Wohnung alles finden kann, was man zum Leben braucht: Einkaufen, Arbeit, Unterhaltung, Kultur, Sport, medizinische Versorgung – alles innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß erreichbar. Oder in fünf Minuten mit dem Fahrrad.
Das Konzept wurde von Carlos Moreno entwickelt, einem französisch-kolumbianischen Stadtplaner, der an der Sorbonne in Paris lehrt. Er entwickelte es 2016, ein Jahr nach dem Pariser Klimaabkommen, mit dem Ziel, auf städtischer Ebene die Notwendigkeit von Fortbewegung zu reduzieren und so die Treibhausgasemissionen zu begrenzen. Seiner Meinung nach sollte die Stadt nicht mehr in Zonen für eine einzige Nutzung aufgeteilt werden (Arbeit auf der einen Seite, Wohnen auf der anderen, Gesundheit weiter weg), sondern so gedacht werden, dass alles in einem kleinen Umkreis erreichbar ist. Der Lockdown im Frühjahr 2020, der die Pariser zwang, sich innerhalb eines Radius von 15 Minuten zu Fuß zu bewegen, trieb seine Idee voran. Sie wurde einige Monate später vom Team der sozialistischen Bürgermeisterin, Anne Hidalgo, aufgegriffen. Im Jahr 2020 stellte sie die Idee in den Mittelpunkt ihrer Kampagne bei den Kommunalwahlen.
„Die Idee der 15-Minuten-Stadt ist nicht neu“, sagt Marco Cremaschi, Professor für Stadtplanung an der Sciences Po in Paris. Er betrachtet das Konzept skeptisch. Der Wissenschaftler weist darauf hin, dass der US-amerikanische Stadtplaner Clarence Stein bereits vor einem Jahrhundert die neighbourhood unit theoretisierte – deren Maßstab eben die Viertelstunde zu Fuß war –, und dass ein ähnliches Konzept in den 1960er-Jahren von Jane Jacobs entwickelt wurde, das im Übrigen von der Stadt Portland mit dem Plan der 20-minute neighbourhood aufgegriffen wurde. Abgesehen von Fragen der Urheberschaft findet der Professor den Vorschlag vage, wenn nicht sogar regelrecht uninteressant: „Dieses angeblich neue Konzept beschreibt einfach das gentrifizierte Paris, mit Ausnahme des Arbeitsplatzangebots, das nach wie vor ungleich verteilt ist. Das implizite Ziel ist oft, dass die Dienstleistungen näher an den Wohnort herangebracht werden. Aber das Angebot an adäquaten Arbeitsplätzen in der Nähe der Wohnorte zu erhöhen, ist eindeutig schwieriger.
Impressionen einer Metropole: Die Philosophie der 15-Minuten-Stadt hat Paris zu einer noch attraktiveren Weltstadt werden lassen.
Die Frage des Zugangs zu Jobs bleibt im Fall von Paris in der Tat zentral. Einerseits wurden während der ersten Amtszeit von Anne Hidalgo (2016–2020) enorme Anstrengungen unternommen, um das Wohnungsangebot ausgewogener zu gestalten. Seit 2016 wurden über 37.000 neue Sozialwohnungen finanziert, insbesondere in den gehobenen Vierteln des Westens. Andererseits weisen Studien darauf hin, dass das Arbeitsplatzangebot in der Hauptstadt noch immer sehr unausgewogen ist. Darüber hinaus zieht Paris jeden Tag eine Million Menschen aus den Vororten und den umliegenden Städten an, die im Zentrum arbeiten. „Die 15-Minuten-Stadt macht für sie wenig Sinn, ebenso wenig wie für die Person, die um fünf Uhr morgens von Seine-Saint-Denis aus nach La Défense putzen muss“, so Jean Coldefy, Experte für Mobilitätsfragen.
Dass diese Stadt der Nähe primär den wohlhabenden Bewohnern von Paris vorbehalten ist, liegt daran, dass das Pariser Wahlsystem, das nach Arrondissements organisiert ist, eine gewisse Miniaturisierung der Debatten begünstigt. Ja, es gibt positive Projekte wie den Grand Paris Express, ein U-Bahn-Megaprojekt, das die Vororte mit dem Zentrum verbindet. Allerdings findet diese metropolitane Vision in anderen Bereichen der Stadtplanung noch keine Anwendung. Dabei betonen viele Experten, wie wichtig eine globale Vision ist, um die im Pariser Abkommen von 2015 festgelegten Ziele zu erreichen. Ein Beispiel hierfür ist ein 2020 in der Zeitung Le Monde veröffentlichter offenen Brief mit dem treffenden Titel „Paris n’appartient pas qu’aux Parisiens“ (Paris gehört nicht nur den Parisern).
In Erwartung einer Strategie, die die Interdependenz zwischen Stadtzentrum und Vorstädten berücksichtigt, wendet die Stadtverwaltung das Konzept der Viertelstundenstadt in allen 20 Arrondissements an. Für die Umsetzung dieser Politik wurde 2020 sogar eine Beigeordnete für die Viertelstundenstadt ernannt. Zu ihren Erfolgen zählen schon 300 Kilometer neue Radwege, die seit 2014 angelegt wurden, 78 Schulhöfe, die samstags geöffnet sind, um Familien Freizeitmöglichkeiten zu bieten, und 200 Straßen, die vor Schulen für Autos gesperrt sind. Andere Vorschläge, wie die Eröffnung von Kunstbühnen, die Einrichtung von Kindertagesstätten und die Anlage von öffentlichen Gärten auf Schulhöfen, existieren vorerst nur auf dem Papier. Trotz dieser Zahlen haben viele Beobachter den Eindruck, dass diese Entscheidungen eher zu der von Anne Hidalgo seit jeher vertretenen Politik der Begrünung und der Reduzierung des Autoverkehrs passen als zu einer angeblichen Politik der 15-Minuten-Stadt. Der Begriff selbst tauchte quasi über Nacht in der Kommunikation des Rathauses auf. „Die historische Stadt ist bereits eine fast perfekte Verkörperung dieser Idee“, schrieb Rowan Moore kürzlich in der britischen Tageszeitung The Guardian.
Zwar muss man diese Aussage dahingehend relativieren, dass beim Zugang zu Dienstleistungen noch ein Ausgleich geschaffen werden muss, doch muss man auch anerkennen, dass die umfangreiche Berichterstattung über das Konzept in den Medien alle Merkmale einer erfolgreichen Kommunikationskampagne aufweist. „Politische Modelle reisen schnell um die Welt und finden Eingang in die Sprache und die politischen Programme, um dann genauso schnell wieder zu verschwinden“, mahnt Marco Cremaschi und verweist auf die Modelle der Smart City oder der 3T von Richard Florida, die zu ihrer Zeit ebenfalls einen Hype erlebten, bevor sie wieder verpufften. Die im Konzept der 15-Minuten-Stadt versprochene Nähe von quasi allem „ist leider nur ein Traum, vor allem wenn man bedenkt, dass die benötigten Dienstleistungen zunehmend über Netzwerke und Fernkommunikation erbracht werden, wie der Mangel an logistischen Antworten während der Coronapandemie gezeigt hat.“
Wird die Umgestaltung der Stadt also auf Kosten derjenigen gehen, die sie täglich am Laufen halten und die es sich zugleich nicht leisten können, dort zu wohnen? Dies zumindest werfen Gegner der Politik der sozialistischen Bürgermeisterin ihr vor. Paris wird, das lässt sich nicht leugnen, immer grüner, fahrradfreundlicher und nach Fußgängermaßstäben gestaltet. Doch für wen wird dieses friedliche Arkadien in Zukunft reserviert sein? Trotz der enormen Anstrengungen der Bürgermeisterin, überall in der Stadt neue Wohnungen zu günstigen Mieten zu errichten, verliert die Hauptstadt seit 2011 jährlich 11.500 Einwohner, während die Zahl der Zweitwohnsitze (die die meiste Zeit leer stehen) explodiert. Am Vorabend der Olympischen Spiele, die sich bereits als Großereignis für Privilegierte ankündigen (Verdoppelung des Metroticketpreises während der Spiele, außer Kontrolle geratene Preise für Hotels oder Wohnungen, sehr hohe Eintrittspreise für die Wettkämpfe), sollte diese Frage gestellt werden.
Leonardo Lella ist Architekt und Autor, derzeit Kurator am Architekturzentrum arc en rêve in Bordeaux. Neben seiner Tätigkeit im Museum schreibt er regelmäßig über Architektur und Stadtplanung für verschiedene Fachmedien und koordiniert Publikationsprojekte für den Pariser Verlag Caryatide.