„Das Thema Impact hat uns schnell gemacht.“

Das Denken in gesellschaftlichen Effekten verändert die Immobilien­branche rasant. Auch mehr Ko­opera­tion zwi­schen Indus­itrie und Wissen­schaft ist gefordert. Wie das geht, macht dieses Doppel­interview vor – Projekt­entwickler Stefan Klein (SK) im Dialog mit der EBS-Profes­sorin Kerstin Hiska Hennig (KHH).

Projekt­entwickler Stefan Klein (SK) im Dialog mit der EBS-Profes­sorin Kerstin Hiska Hennig (KHH).

Professor Hennig, vom Impact Investing redet unsere Branche momentan viel. Hat sich das geforderte Umdenken tatsächlich bereits überall durchgesetzt?

KHH: Von einem kompletten Umdenken kann man noch nicht sprechen, aber es ändert sich schon viel. Nach Europa herübergeschwappt ist der Ansatz vor rund 25 Jahren aus den USA. Seit dem Jahr 2015 gab es bei uns einen riesigen Bedeutungszuwachs, durch die UN-Klimakonferenz und das Abkommen von Paris. Jetzt sollte jeder wissen, was die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen beabsichtigen – auch in der Immobilienbranche.

Und weiß das schon jeder?

SK: In der Immobilienbranche werden Impact und ESG noch häufig als Marketingtools missverstanden. Man redet viel drüber, aber die Qualität der Debatte ist noch sehr heterogen. Ich sehe zwei Lager: Die einen meinen es ernst, die anderen wollen nur schnelle PR-Effekte erzielen.

KHH: Hier zeigen sich auch zwischen Wissenschaft und Praxis unterschiedliche Wahrnehmungen. Die Wissenschaft denkt in Definitionen und Konzepten, die Praxis schaut auf die Umsetzung – und sieht ganz andere Probleme. Es ist eben schwer, wenn etwa ein Versorgungswerk seinen Kunden bestimmte Mindestrenditen garantiert, die bei einer bewussten ESG-Umsetzung gar nicht mehr zu halten sein werden. Da spalten sich dann schon mal Absicht und Umsetzung.

Wobei Impact Investing ja nicht Renditeverzicht bedeuten muss.

KHH: Aber der Kulturwandel ist schon beträchtlich. Thema Vermietung: Es geht dann eben nicht mehr, wie wir in der Immobilienökonomie sagen, um den „highest and best use“ eines Objekts, da aus einer Social-Impact-Perspektive andere Nutzungen gefordert werden. Ich war gerade bei einer Preisverleihung zum Thema Impact. Die meisten Preisträger haben bewusst bei der Umsetzung eines sozialen Impacts auf Rendite verzichtet.

Das wäre auch für ein impactsensibles Unternehmen wie ehret+klein unrealistisch.

SK: Aber in genau diesem Spannungsfeld bewegen wir uns. Wir haben uns daher auch einen Gesellschafter ins Haus geholt, der diese Transformation mitträgt. Unsere Partner verstehen, dass Impact Investing funktioniert wie ein Gütesiegel – und langfristig auch einen ökonomischen Nutzen entfaltet, weil nicht nachhaltige Produkte irgendwann nicht mehr an den Kunden zu bringen sind.

Soziale Werthaltigkeit als wirtschaftlicher Faktor …

KHH: Die ganze Branche steckt in dieser Transformation. In den vergangenen Jahren lief alles rund, wir wussten, wie unser Markt funktioniert. Jetzt ändern sich die Rahmenbedingungen, alles wird komplexer. Die ökologische Taxonomieverordnung hat das vorgemacht, bald dürfte eine finale Sozialtaxonomie folgen. Dann wird Social Impact messbar. Aber was heißt das dann, wenn, sagen wir, 20 Prozent einer Quartiersentwicklung als Social Impact auszuweisen ist? Das ist dann mehr als ein bisschen bezahlbares Wohnen. Und es wirft Fragen auf: Wer sind die relevanten Stakeholder? Wie viel muss ich umsetzen, kann ich mich bei besonders schwierigen Projekten freikaufen?

Die soziale Komponente ist schwerer messbar als die rein ökologische.

KHH: Schon wegen der sehr heterogenen Stakeholdergruppen – Mitarbeiter, Consumer, Gesellschaft. Auf Nutzerebene verkomplizieren neue Konzepte wie Co-Working das Bild. Und die Nachbarschaft kann ich als Entwickler nur begrenzt beeinflussen. Hier spielt auch der Zeitfaktor eine Rolle. Beispiel: Ich plane ein Quartier, einen Supermarkt braucht es nicht, weil der in der Nachbarschaft bereits vorhanden ist. Dann aber macht der zu. Habe ich dann schlecht geplant? Meinen Social Impact mit Wirkung über die eigene Immobilie hinaus nicht geleistet?

Wie weit seid ihr bei ehret+klein beim Social Impact?

SK: Wir zwingen uns dazu, Projekte nicht als Insellösungen zu betrachten. Uns ist klar: Wir müssen uns weiterentwickeln. Wir können aber auf eine Firmenkultur bauen, in der zumindest der Anspruch, breit zu denken, schon immer da war.

Kannst du hier ein Beispiel nennen?

SK: Unser erstes Projekt, ein Hotel in Österreich, war nicht nur in Holzhybrid-Bauweise gebaut, sondern dort haben wir gleich ein Holzhackschnitzel-Kraftwerk mit realisiert. Das Konzept der Unternehmenskultur ist gerade für eine Immobilienfirma entscheidend. Man kann Impact nicht einfach vorgeben, sondern muss es aus dem Organismus heraus leben. Das kostet intern Anstrengung und auch Geld. Wir haben gerade drei smarte Köpfe eingestellt, die sich nur mit diesem Thema befassen, einfach damit wir als Firma nicht zu weit hinter der Wissenschaft herhinken. Aber das ist ein echtes Brett.

KHH: Aber es ist richtig. Die Projektentwickler müssen als Erste springen. Bald sind Projekte ohne ökologischen und sozialen Impact nicht mehr vermarktbar, weil die Investoren ihre Gelder abziehen beziehungsweise anderweitig investieren. Bei der E-Perspektive aus ESG sehen wir das heute schon, das S wird folgen.

Wer sind denn nun die Frontrunner, die Entwickler oder die Investoren?

KHH: Smarte Entwickler müssen heute die Investorenmeinung der Zukunft treffen. Investoren bereinigen gerade ihre Portfolios nach E-Kriterien. Der S-Bereich ist noch schwer zu greifen, aber Entwickler brauchen auch hier schon heute eigene Haltungen. Sie müssen auch ohne Taxonomien bewusst Schritte unternehmen, etwa eine Kita im neuen Quartier mit einplanen oder eine Brücke ins Grüngebiet legen.

Wie stellt sich die neue Anspruchslage der Investoren für ehret+klein dar?

SK: Die Herausforderung ist, jetzt Projekte zu realisieren, die die erweiterten Ansprüche in fünf oder zehn Jahren bereits antizipieren – und das den Geldgebern auch zu erläutern. Viele Entwickler scheitern gerade an genau diesem Erklärprozess. Die Lösung für uns ist es, möglichst wenig fremdgesteuert zu sein. Damit können wir Projekte so realisieren, wie wir es für richtig halten.

KHH: Genau das zeigt aber, wie fundamental der nötige Mindshift ist. Das alte Trader-Developer-Modell ist nicht mehr möglich.

SK: Für uns war es auch nie attraktiv. Michael Ehret und ich haben vor Jahren ja unsere eigene Firma gegründet, weil wir die Projektentwicklung, so wie sie damals war, nicht mehr mitmachen wollten. Die Branche war sehr patriarchisch, geprägt durch Egoismus. Das war uns immer zu wenig. Hier hat uns auch das erweiterte Denken geholfen, das schon früh an unserer Hochschule, der EBS, herrschte und das uns geprägt hat.

Das klingt alles nett, aber nicht einfach. Nun wird das Marktumfeld schwieriger. Neuer Gegenwind für den neuen Entwickler?

SK: Es tun sich heute jene Entwickler schwer, die nicht schon vor Jahren ihre Firmen anders aufgebaut haben. Gute Player, und hier möchte ich bewusst auch mal andere Anbieter wie Art Invest nennen, leisten sich das weiter. Der Markt bereinigt sich, und das ist für die Branche auch eine Chance.

KHH: Eine Chance übrigens auch dafür, der sich verändernden Gesellschaft zu entsprechen. Die Sinus-Milieus verändern sich grundlegend. Die heranwachsende Generation hat vollkommen andere Wertvorstellungen. Nachhaltigkeit ist hier kein rein politisches Thema mehr, sondern ein tief verankerter Wert.

Das hat auch eine HR-Komponente, Stichwort War for Talents.

SK: Wir merken das am Arbeitsmarkt ganz massiv. Die Kriterien unserer Topbewerber ändern sich. Gehalt spielt noch eine Rolle, aber ebenso wichtig ist die inhaltliche Ausrichtung des Unternehmens.

KHH: Einer meiner besten Doktoranden war gestern zum Bewerbungsgespräch hier. Er will zu ehret+klein, weil ihn der Fokus auf das Thema innovative und resiliente Quartiersentwicklung reizt.

Der Begriff des Quartiers spielt bei vielen Debatten der Branche momentan eine Hauptrolle …

KHH: Das ist quasi die Königsklasse. Es geht um mehr als nur um Einzelobjekte. Themen wie Konnektivität und Identität spielen dann eine Rolle. Auch die Kommunen schauen in Bewerbungsverfahren sehr genau, welcher Entwickler sich da bei ihnen um ein Stück Land bewirbt und vor allem, ob das Konzept auch in das Stadtleitbild passt.

SK: Aber mit dem Quartiersbegriff wird auch viel Schindluder getrieben. Jeder, der anderthalb Häuser baut, nennt das Quartier. Da wünscht man sich mehr inhaltliche Tiefe. In der Quartiersentwicklung kommen viele verschiedene Disziplinen zusammen. Da geht es nicht nur um Steine und Erden, und so ein Quartier ist auch nicht in drei Jahren hingestellt. Als Entwickler haben wir eine Riesenverantwortung, weil man viel gesellschaftlichen Schaden anrichten kann.

Macht diese Verantwortung auch manchmal Angst?

SK: Angst darf man in unserem Geschäft nicht haben, Respekt hingegen schon. Wichtig ist für uns der permanente Dialog mit allen Beteiligten. So schützen wir uns vor dem möglichen Waterloo. Wir begleiten unsere Projekte intensiv kommunikativ – nicht im Sinne des Marketings, sondern in Form offener Dialoge. Wir fühlen jedem Quartier und jeder Nachbarschaft dauerhaft den Puls. Hier braucht es viel Flexibilität, um einmal Gesetztes nicht blind umzusetzen, sondern immer wieder zu hören, was die Gesellschaft braucht und will. Beispiel Co-Working: Funktioniert das überhaupt immer? Oder: Welche Gemeinschaftsflächen sind gefragt?

Wenn wir es konkret machen: Wie begleitet ihr eure Projekte?

SK: Nehmen wir das Beispiel Landsberg, quasi unser Pilot in Sachen integrierter Quartiersentwicklung. Hier bereiten wir gerade proaktiv ein Quartiersmanagement vor. Wir sind viel mit der Stadt unterwegs und haben schon mehrere Arges gegründet, um die Themen zu adressieren, die für die Stadt da wichtig sind. Intern haben wir „e + k move“ gegründet, um Mobilitätskonzepte nicht nur zu erstellen, sondern auch zu betreiben. Wir versuchen, unternehmerisch im Quartier Impulse zu setzen. Quartier lebt von Inhalten.

Den Begriff des Inhalts finde ich interessant. Das hört man von Entwicklern selten.

SK: Damit verdient man kurzfristig ja auch kein Geld.

KHH: Ich kenne auch nicht viele Entwickler, die auf diese Form der Kuratierung so viel Wert legen wie ihr. Auch wir an der Hochschule suchen ja immer nach positiven Cases. Man findet diese, aber nicht häufig. Ein Beispiel habe ich gerade
in Portugal aufgetan. Dort hat ein Entwickler ein Quartiersmanagement realisiert, das vor allem verschiedene Generationen zusammenbringt, die sich gegenseitig im täglichen Leben und Doing ergänzen und unterstützen.

Intergenerationale Quartiere – ein Riesenthema.

SK: Auch für uns. In Landsberg haben wir gerade die Quartiersapp scharf geschaltet. Nun beobachten wir genau, was genutzt wird und was nicht. Wichtig ist: Wir bleiben im Quartier involviert. Stichwort langer Atem.

Wird gerade in Sachen Quartier die Zusammenarbeit zwischen Entwickler und Wissenschaft intensiver?

KHH: Ich empfinde das so. Die Entwickler wollen unsere Expertise, und wir verlassen, wenn wir Standards entwickeln, ein wenig unsere Vogelperspektive.

Wie bereit ist die Praxis für akademisch entwickelte Standards?

KHH: Da ist viel Bewegung drin. Es gibt Modelle zur Erfassung der Erfolgsfaktoren von Quartieren – zu der Kernfrage, „Was macht ein Quartier eigentlich erfolgreich?“. Und es gibt Modelle, die sich mit der Analyse und Messbarkeit von ESG befassen. Die Praxis ist hier sehr aktiv, muss sie auch sein. Wir haben als Universität gemeinsam mit dem ICG ein Modell zum Thema Messbarkeit von Social Impact entwickelt, das Quartiere, aber auch einzelne Assetklassen in Bezug auf Social Impact analysiert und SI misst.

Wo steht Deutschland beim Impact Investing international?

KHH: Wir sind schon recht weit vorne dran. Die USA haben zwar die Themen früh adressiert, aber in der Praxis belächelt man dort das Thema Ecological and Social Impact noch häufig. In Großbritannien und Frankreich tut sich auch viel.
SK: Was ich positiv finde: Unsere Branche selbst hat recht zügig auf die neuen Herausforderungen reagiert. Das Thema Impact hat uns schnell gemacht.

Und es hat auch zu veränderten Strukturen in den Unternehmen geführt – auch bei ehret+klein intern.

SK: Wir haben gemerkt, dass wir das Thema institutionell verankern müssen. Deshalb haben wir den Beirat gegründet, den Michael Ehret und ich führen und dem ja auch Frau Hennig angehört. Hier diskutieren wir ständig das Verhältnis des Unternehmens zur Gesellschaft und schauen, welche Impulse aus der Wissenschaft in die Praxis einfließen müssen und umgekehrt. So bekommen unsere etwa 25 laufenden Projekte permanent den Blick von außen gespiegelt. Bonitätsstarke Partner wie das zahnärztliche Versorgungwerk als Minderheitsgesellschafter sichern unsere Selbstständigkeit. Soziale Projektentwicklung braucht Beinfreiheit und eine gewisse Prozesshoheit. Wir haben auch schon Partner aus Projekten rausgekauft. So können wir Projekte realisieren, wie wir sie denken.

Kerstin Hiska Hennig

Kerstin Hiska Hennig ist Professorin für Real Estate an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht und Leiterin des EBS Real Estate Management Institute. Sie lehrt und erforscht Immobilien­ökonomie mit den Schwer­punkten Sustain­ability und Impact Investment, Stadt- und Quartiers­entwickung sowie Innovation & Leadership. Ihre bisherigen beruflichen Stationen waren unter anderem bei debis Immobilien­management, UBS Real Estate Investment Manage­ment und Tishman Speyer Properties.

Stefan Klein

Stefan Klein hat ehret+klein gemeinsam mit Michael Ehret gegründet. Im vergangenen Jahr zog er sich aus der operativen Geschäftsführung des Unternehmens zurück, um sich in der neuen Rolle als Beirat vor allem mit den Fragen zu beschäftigen, die Gesellschaft, Umwelt und Politik heute an einen Projektentwickler stellen. Stefan Klein hat Immobilienökonomie an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht studiert.

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