Die Kontraste sind groß auf dem Münchner „Quartierskongress“: Da treffen klassische Investoren in blauem Anzug auf Projektentwicklerinnen neuen Typs in Sneakers und auf Vertreter von Wohnungsbaugenossenschaften. Und die Atmosphäre dürfte für manchen Teilnehmer ungewohnt sein. „Überlegt doch mal, wie ihr euch gerade fühlt“, startet einer der Initiatoren gleich mal mit einer gruppendynamischen Übung. Und alle machen mit – auch die Männer in den blauen Anzügen.
Das ist bemerkenswert – und vielleicht symbolhaft für eine Transformation aufseiten der Projektentwickler und Immobilienfinanzierer. Offenbar ändert sich nämlich gerade etwas im Selbstverständnis von Investoren im Real-Estate-Bereich. Davon zeugt schon, dass sie überhaupt auf einen Kongress kommen, der sich mit der sozialen Weiterentwicklung von Quartieren befasst, und dort mit Vertretern von Stadtteilinitiativen oder Genossenschaften diskutieren. Und davon zeugt auch, wie diskutiert wird. Es geht konstruktiv und kreativ zu im Münchner „Impact Hub“. Die Themen: fortschrittliche Stadt- und Quartiersentwicklung, die Gestaltung möglichst inklusiver Dialogprozesse, divergierende Ziele in der Stadtentwicklung, nachhaltige Sanierung. Und die Frage, wie es gelingen kann, dass mit dem Konzept des Quartiers der gesellschaftliche Zusammenhalt in unseren Metropolen gestärkt wird.
Das Konzept des Quartiers ist damit ein Kristallisationspunkt auch eines ganz neuen Selbstverständnisses von Real-Estate-Investoren. Der Leitbegriff: Impact Investing. Ökonomische Rendite ist wichtig, aber nicht mehr allein entscheidend. Es geht um die soziale Rendite eines Projekts, seine gesellschaftlichen, ökologischen und kulturellen Effekte für die Gemeinschaft in einem Quartier. Michael Ehret, Gründer und heute Beirat bei ehret+klein: „Wir dürfen soziale und ökologische Rendite nicht in Euro bewerten. Die neue Währung heißt Impact. Die Frage stellt sich aber: „Wie lässt sich ein sozialer Mehrwert für ein Quartier bemessen ?“
Diese Frage verweist auf einen Faktor, der das Nachdenken über Impact-Investitionen heute unterscheidet von verwandten Konzepten wie der Corporate Social Responsibility. Aber: Impact zu messen ist alles andere als trivial. Denn nicht nur ist die Quantifizierung vermeintlich weicher Faktoren immer schwierig. Vor allem ist sie auch von den Interessen der jeweiligen Akteure abhängig. Auf dem Quartierskongress in München wurde diese Frage, wie sich der soziale Wert eines Quartiers messen lässt, im Rahmen eines Workshops diskutiert. Die Ideen für sinnvolle Messgrößen changierten von der Fluktuation der Bewohner über Identifikationsmessungen bis hin zu Anfragen auf Immobilienplattformen. Doch nicht nur die Messbarkeit ist ein Problem. Die größte Frage, und die mit der größten Brisanz: Wie lassen sich Investoren motivieren, vom rein pekuniären Blickwinkel Abstand zu nehmen?
„Wie lässt sich ein sozialer Mehrwert für ein Quartier bemessen ?“
Michael Ehret
Das tun sie, aber zögerlich, gerade in Deutschland. Der Impact-Investing-Markt wächst, ist hierzulande aber noch vergleichsweise klein. Dies zeigt auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2020. Danach verzeichnete das Impact Investing in Deutschland im Jahr 2020 mit einem Volumen von 2,9 Milliarden Euro ein deutliches Wachstum, wurden doch in der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2016 erst 69 Millionen Euro ausgewiesen. ausgewiesen. Neue Akteure mit Investments über alle Anlageklassen und SDGs, also Sustainable Development Goals, hinweg „beleben das Feld und wollen zur Lösung der drängenden gesellschaftlichen Probleme beitragen“, verlautbart die Stiftung. Klingt gut, aber auch etwas vage. Um zu mehr Wachstum zu gelangen, braucht es Investitionsbereitschaft, aber auch entsprechende Produkte am Kapitalmarkt. Die gibt es zunehmend, sagt auch Barbara Scheck, Professorin für Betriebswirtschaft an der Munich Business School.
„Es existieren an dem Finanzmarkt immer mehr Fonds, die dezidierte Impact-Strategien verfolgen. Ein Beispiel: Die ,Erste Bank‘, also die österreichische Sparkasse, hat inzwischen verschiedene Produkte in diesem Bereich im Angebot. Sie ist hier ein Vorreiter.“
In der City of London hebt Scheck das Unternehmen „Funding Affordable Homes“ hervor. „Die leisten im Bereich bezahlbares Wohnen einen wirklich guten Job.“ Funding Affordable Homes ist ein gemeinnützig orientiertes Unternehmen, das in bezahlbare Wohnungen im Großbritannien investiert. Zuletzt hat Funding Affordable Homes vom Unternehmen City Pride Ltd. für elf Millionen Pfund 35 Eigentumswohnungen in Londons höchstem Wohnturm erworben, dem „Landmark Pinnacle“, entworfen vom Architekturbüro Squire und Partners. Das Projekt befindet sich in den Docklands, am südlichen Rand von Canary Wharf. Der Kauf der Ein- bis Drei-Zimmer-Apartments in der 75-stöckigen Projektentwicklung ist interessant: Bezahlbares Wohnen kann also auch in stark verdichteten, metropolitanen Gegenden wie eben Canary Wharf geschaffen werden.
Dass sich der Ansatz des Impact Investing gerade im Real-Estate-Bereich bewährt, ist kein Zufall. Klar, die sozialen Problemlagen dort sind besonders groß. Aber vor allem sind die Summen, die behandelt werden, beträchtlich. Das passt, da gerade institutionelle Anleger wie Stiftungen oder Pensionsfonds je Los große Beträge anlegen müssen. Scheck: „Viele Unternehmen, die sich für soziale Investments eignen, brauchen eher kleine Summen, beispielsweise 500.000 €. Am Kapitalmarkt geht es aber um andere Summen. Da sind Anbieter von sozial orientierten Immobilienprojekten im Vorteil.“
Ein Problem der Impact-Investment-Bewegung: Objektivität und die Frage, wie man eine wirklich vergleichbare Reporting-Basis schafft. „Die Messbarkeit der positiven Wirkung auf Klima, Umwelt oder Gesellschaft ist heute für viele Anleger ein entscheidendes Kriterium bei der Auswahl von nachhaltigen Anlagen“, zitiert das Deal-Magazin Antje Biber, die als „Head of SDG Office“ die Nachhaltigkeitsstrategie des Asset-Managers Feri verantwortet.
Allerdings existierten für die Fonds der Private Markets fast keine Datenbanken. Feri hat deshalb einen Bewertungsansatz entwickelt, der einen proprietären ESG- und Impact-Prüfprozess und ein SDG-bezogenes Reporting enthält. Das „SDG Mapping“ bewertet die Wirkung der Zielinvestments hinsichtlich ihrer Zukunftsperspektiven und Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft.
Jenseits aller Mess- und Quantifizierungsansätze aber gilt: Impact-Investoren brauchen vor allem einen klaren Kompass für die eigenen Initiativen. Im Baubereich ist der „Impact“ eines Projekts nämlich immer konkret. Er zeigt sich an zufriedenen Nachbarschaften, sozial funktionierenden Städten, reduzierten ökologischen Effekten und stadträumlich attraktiven urbanen Strukturen. Um diese zu schaffen, gilt es für Entwickler, sich den Mühen eines stadtbezogenen Dialogprozesses zu unterziehen. Und Geldgeber sollten sich auf solche Projekte konzentrieren, in denen dieser Dialog nachweisbar vorhanden war.
Auch dafür hielt der Münchner Quartierskongress Beispiele parat. Sebastian Gerhards von Landmark stellte beispielsweise die Luisenhöfe in Aachen vor, die in enger Kooperation mit einer Bürgerinitiative entwickelt wurden. Ein Ansatz, den auch das Management von ehret+klein als überaus konstruktiv empfindet. „Nachhaltige Lösungen vor Ort entstehen nur, wenn man die Mühen eines echten Dialogs auf sich nimmt, gerade auch mit denen, die nicht sofort von einem Konzept überzeugt sind“, sagt der Firmengründer und heutige Beirat, Stefan Klein. Ein Beispiel: die Quartiersentwicklung „Stadttor Landau“ in der Pfalz. Auf einem ehemaligen Galeria Kaufhof-Areal entwickeln die Starnberger momentan ein neues Quartierskonzept unmittelbar neben dem Hauptbahnhof. Gemeinsam mit der Stadt Landau, den Bürgern und Gewerbetreibenden vor Ort wurden mögliche Nachnutzungen des Grundstücks besprochen und erarbeitet. Das Ergebnis: ein neues Stadttor für Landau. Mit einem Mix aus Wohnen, Gewerbe, Einzelhandel und Gastronomie soll dieses die Einkaufsmeile am Bahnhof nachhaltig stärken.
Was, wenn es gelingt, geradezu ein Paradebeispiel für impactbezogenes Investment wäre. Und dafür, dass dieses gerade auch bei den momentan gebeutelten Innenstädten eine echte Blickweitung erzeugen kann.
„Viele Unternehmen, die sich für soziale Investments eignen, brauchen eher kleine Summen, beispielsweise 500.000 €“
Barbara Scheck