Wer mit Niclas Schubert über sein Unternehmen spricht, sieht zuerst einmal – Berge. Im Konferenzzimmer des Firmensitzes in Bad Reichenhall hängen nämlich großformatige, hyperreale Fotoaufnahmen der bayrischen Alpen. Und das passt zum Unternehmen Movelo. Denn genau dort, in den Bergen, begann vor knapp zwei Jahrzehnten die Geschichte des damaligen Start-up-Unternehmens, das Niclas Schubert gemeinsam mit seinem Bruder gründete. Er erklärt: „Am Anfang stand die Überlegung, E-Bikes in der Tourismusbranche zu positionieren. Dafür haben wir mit dem Schweizer E-Bike-Hersteller Flyer und den Berghotels hier in Reichenhall und Umgebung zusammengearbeitet. Die Hotels haben die Bikes günstig an ihre Gäste ausgeliehen, die Hersteller bekamen so Gratis-Promotion und die Gäste konnten erleben, wie cool das E-Bike-Feeling ist.“ Zumal in Reichenhall viele ältere Gäste in den Hotels einkehren, die Bergtouren per Rad ohne Unterstützung womöglich etwas beschwerlich fänden. Das E-Bike als Urlaubsevent – eine gute Idee, doch dabei blieb es nicht. Schubert und sein Team suchten nach Erweiterungen des Prinzips E-Bike – und stießen schnell auf den Bedarf in Unternehmen mit verteilten Standorten. Die wollten sie zusammenbringen, indem sie für die Firmen hauseigene E-Bike-Flotten installierten.
Unternehmen wie Movelo verankern die Radfahrkultur fest in unserer Unternehmenslandschaft. Auf dem Foto: Niclas Schubert.
Los ging es im Universitätsklinikum Linz mit zwei Standorten in Linz. Danach kamen die R+V Versicherung und viele weitere Unternehmen wie VW, die Allianz oder der Personalvermittler Randstad. „Randstad ist heute unser größter Kunde“, sagt Schubert dazu. Und dann kam man in Kontakt mit der Real-Estate-Industrie. Denn solche Unternehmen wie ehret+klein rüsten ihre großen Quartiersentwicklungen mobilitätstechnisch aus. „Dies ist ein attraktiver Markt“, so Schubert, der aber auch einräumt: „Natürlich macht die momentane Krise der Immobilienbranche das Geschäft nicht leichter.“ Aber: „Der Markt zieht wieder an.“ Nach Monaten der Zurückhaltung investieren erste Projektentwickler offenbar wieder in ihre Mobilitätskonzepte.
Womit wir natürlich auch beim Thema Lowtech wären. Denn gute Mobilitätskonzepte in Quartieren sind ein Weg zu weniger Autos. Und auch Movelos Unternehmenskunden mit ihren hauseigenen Bike-Flotten buchen diese, um auf kompliziertere interne Mobilitätslösungen zu verzichten – und eventuell sogar größere Umzüge und die Zusammenlegung von Standorten zu vermeiden.
Nachhaltig ist das Ganze, aber Schubert ist kein bloßer Öko-Aktivist. Er will seine 40-Mitarbeiter-Firma zu noch mehr Wachstum bringen. Fünf Millionen Euro Jahresumsatz machen sie momentan. Aber wir sind in Märkten mit viel Potenzial tätig, sagt er. Erkannt hat das Potenzial vor einigen Jahren jedenfalls der holländische Konzern Pon, nach eigenen Angaben „the world’s leading bicycle family“. Seit 2019 ist Movelo Teil dieser Familie. Niklas Schubert und sein Bruder aber blieben als Geschäftsführer an Bord – was nicht selbstverständlich ist.
„Bis heute sind wir die Treiber des Unternehmens“, sagt er. Übrigens ist der Firmensitz das frühere Elternhaus. Aber: Wir sind klar wachstumsorientiert. Neue Märkte sind also gefragt. Ein solcher sind – ausgerechnet – Autowerkstätten. „Viele Werkstätten bieten ihren Kunden E-Bikes anstatt Autos als Ersatzmobilität an.“ Die Statistik stützt diese These. Das Fachmedium Radmarkt zitiert aus einer Studie, nach der 42 Prozent aller freien Werkstätten den Einsatz von E-Bikes als Alternative zum Werkstattersatzwagen erwägen und sogar 69 Prozent der Autohäuser. Doch zurück zu den Großkunden. Die Größe der Flotten, die die Unternehmen bei Movelo bestellen, variieren stark. Randstad hat 300 Räder in der Flotte. Typischerweise sind es aber eher fünf bis 30 Räder je Kunde – es handelt sich also um ein kleinteiliges Geschäft.
In Reaktion darauf baut Schubert seine Prozesse um. „Wir setzen zunehmend auf die Zusammenarbeit mit Fahrradhändlern vor Ort.“ Damit ist man flexibler auch bei kleinen Bestellungen. Perspektivisch bedeutet der dezentrale Ansatz: Movelo expandiert den Kundenkreis, aber nicht notwendigerweise die eigene Flotte. 6000 Räder haben sie momentan im Bestand. Auch wenn keine eigenen neuen E-Bikes hinzukommen, neue Märkte will das Unternehmen dennoch erobern – auch international. In Finnland und Tschechien stehen bereits Movelo-Bikes. „Zur Zeit befassen wir uns zum Beispiel mit Italien, aber das könnte kompliziert werden.“ Dennoch: Wie bei jedem Start-up, ist ein globales Roll-out des Modelles grundsätzlich denkbar. Denn die Mobilitätswende ist eine globale. Und Biken ist im Trend. Auch für Niclas Schubert selbst. Wobei: „Mein Lieblingssport ist eher Wandern, Klettern, Hiken“ – erklärt Schubert, mit Blick auf die Bergsilhouette auf dem Poster.