Den gibt es. Sinnhaft und bewusst leben heißt auch, mit weniger Technologie auskommen zu können. Das ist im Übrigen ja kein neuer Gedanke. Nur verkomplizieren wir unser Leben zunehmend mit immer mehr Technologie. Hier formiert sich aber Widerstand. Nehmen wir die Autoindustrie. Diese hat auf immer mehr Technik gesetzt und bekommt nun zu spüren, dass die Menschen das gar nicht mehr unbedingt wollen. Hier gilt es, wieder zurück zu intuitiven Funktionen zu gelangen.
Absolut. Wenn ich in Hotels übernachte, wundere ich mich oft, dass nicht klar ist, wo überhaupt das Wasser in der Nasszelle herkommt. Und versuchen Sie da mal, das Licht auszuschalten. Wir müssen unser Leben einfacher gestalten, nicht immer komplizierter.
Im Gegenteil, Lowtech ist eine Kompetenz, die man aufbauen muss. Wir müssen viel Forschung betreiben, um zu wissen, was funktioniert und was nicht. Thomas Auer zum Beispiel macht hier an der TU wirklich spannende Forschungen. Oder nehmen wir Florian Naglers Forschungshäuser in Bad Aibling. Das sind wirklich innovative Ansätze.
Vielleicht, dass sie beim Menschen und seinen realen Verhaltensweisen ansetzen. Hier hapert es bei vielen Hightech-Lösungen. Vereinfacht gesagt: Die Menschen machen eben doch gerne einfach mal ein Fenster auf.
Auf jeden Fall liegen ihre Berechnungen oft daneben. Es gibt ein Gap zwischen manchen Annahmen und dem, was realiter passiert. Vielleicht müssen wir uns Vorbilder ganz woanders suchen. Mein Vater Helmut war ja Professor für Entwerfen an der TU München und hat sich dort schwerpunktmäßig mit dem ländlichen Raum befasst. Das hat mich geprägt. Nehmen wir das klassische Bauernhaus. Das ist definitiv sehr lowtech, aber es funktioniert. Ich selber baue gerade ein altes Bauernhaus um und aus. Dabei sieht man, wie klug und bewusst früher die einzelnen Räume konzipiert und positioniert wurden. Auch Materialien wurden sehr bewusst und letztlich sparsam eingesetzt. Gerade dieser Gedanke hilft uns heute wieder sehr weiter, weil alle Ressourcen im Sinne der Nachhaltigkeit kostbar sind.
Genau. Wir müssen in sinnvollen Materialien denken und in jenen Raumstrukturen, die uns helfen, Material zu sparen. Das lehren uns alte Gebäude. Gewölbte Decken zum Beispiel führen zu weniger Materialverbrauch.
Richtig, hier besteht großer Gesprächsbedarf. Was brauchen die Planer, wie viel Einsatz ist in welchen Gebäuden wirklich zielführend? Das müssen wir der Industrie vermitteln.
Absolut. Und wir werden ihn auch in die Tat umsetzen. Ein letztes Quäntchen fehlt allerdings noch, ich komme gerade von einem Termin mit dem Justizminister Buschmann, der sich zu diesem Thema sehr offen zeigt.
Klar, in diesem Kontext muss man an die Honorarordnung ran. Im Konzept vom Gebäudetyp E ist ja ein Zuschlag vorgesehen. Ganz ähnlich wie beim Bauen im Bestand. Hier brauchen wir natürlich das Umdenken.
Ja, auch das serielle Bauen darf nicht mehr mit Vorurteilen betrachtet werden. Es ist mehr als das bloße Prinzip der Stapelung. Die Vorfabrizierung erzeugt weniger Abfall und stellt auch nicht zwingend einen Widerspruch zum ästhetischen Anspruch der Architektur dar. Schönheit ist weiter möglich. Und, nur dass Sie mich da richtig verstehen: Sie ist auch weiterhin wichtig. Ich bin keine Anhängerin der These, dass Nachhaltigkeit und Baukultur sich ausschließen.
So ist es. Das hängt schon damit zusammen, dass Lowtech-Ansätze sich auch häufig der Materialien bedienen, die in der Umgebung eines Projektes ohnehin vorkommen. Diesen Ansatz versuche ich übrigens auch bei meinem bereits erwähnten, mittlerweile 150 Jahre alten Bauernhaus fortzuschreiben.
Nein, der Ansatz geht überall. Aber es gilt, vom Bestand zu lernen und von der Neubau-Ideologie abzurücken. Thomas Auer hat dies kürzlich in einer Untersuchung verschiedener Schulen in München noch mal untermauert. Er konnte aufzeigen, dass die alte Grundschule in München-Schwabing in Sachen Wärmedämmung allen neuen Schulen mit modernsten Dämmmaterialien überlegen war. In eine ähnliche Richtung weisen Naglers Forschungshäuser. Viele Dinge lassen sich eben einfach lösen.
Zunächst einmal können wir natürlich sowohl High- als auch Lowtech mit Gemeinschaft vereinen. Aber Lowtech stellt auch eine besondere Lebensform dar. Im Vordergrund stehen soziale Gebäude. Und: Lowtech kann und muss man lernen.
Ja. Sharing beispielsweise kann man lernen. Hier werden neue Verhaltensweisen eingeübt. Ich selber lebe in Schwabing in einem Haus mit geteiltem Waschkeller. Hier unterstützen sich also die Nachbarn gegenseitig, was den Verzicht auf eigene Waschmaschinen ermöglicht. „In diesem Sinne macht Lowtech uns auch resilienter.“
Mit großer Sicherheit. Hier findet auch bereits ein deutliches Umdenken statt, aber noch nicht bei allen Entwicklern. Ich als Planerin suche mir meine Entwickler und Bauherren entsprechend sehr genau aus. Meiner Meinung nach denken gute Entwickler zum Beispiel immer die soziale Komponente schon im Vorfeld mit, beispielsweise mit Dachterrassen für alle. Und sie integrieren eigene Mobilitätskonzepte in ihre Quartiersentwicklungen. Außerdem planen sie einen zweiten baulichen Rettungsweg ein, sodass die Freiflächen nicht der Feuerwehr vorbehalten bleiben müssen. Ein Vorbildprojekt ist hier für mich immer noch die Wohnsiedlung „Borstei“ im Münchener Westen. Da treffen sich die Menschen in den Höfen, auch weil auf eigene Balkone verzichtet wurde.
Erfolgreich war sie, wenn im gesamten IBA-Gebiet ein Mobilitätsangebot entstanden sein wird, das den Menschen die maximale Beweglichkeit ohne großes Nachdenken ermöglicht. Ich bin immer beeindruckt, wie gut zum Beispiel die Schweiz das hinbekommt. Das ganze Mobilitätssystem dort ist ungemein durchdacht und funktioniert – inklusive aller auch neuen Fortbewegungsmittel wie den E-Bikes und E-Rollern.
Ich finde sie positiv. Wichtig ist doch nur, dass das Angebot intuitiv funktioniert, ohne Nachdenken, ohne Kompliziertheit. Dann muss man auch kein Millennial sein, um ohne eigenes Auto in der Stadt mobil zu bleiben.
Das ist natürlich ein spannendes Thema, aber nicht die eine einzige Lösung. Holzbau ist häufig gut, genau wie Lehmbau oder Ziegel. Oft sind auch die Kombinationen spannend. Gerade sprach ich darüber mit Professor Schellnhuber vom Bauhaus Erde. Wir sollten mit dem arbeiten, was schon da ist. Und wir müssen nicht all unsere Wälder abholzen. Manches baut sich besser aus Beton, primär natürlich Straßen und Brücken. Wir müssen mit allen Stoffen arbeiten und das nehmen, was effektiver ist.
Das ist jetzt etwas holzschnittartig formuliert. Aber es stimmt: Inzwischen haben alle Entscheider erkannt, dass die Landschaftsarchitektur eine Schlüsseldisziplin bei der Klimaanpassung darstellt. Meine Diplomarbeit habe ich in den 1980ern über das Thema Stadtklima geschrieben. Damals war das ein Exotenfach, heute reden alle darüber. Aber übrigens ist dennoch nicht alles neu. Schon ein Friedrich von Sckell hat München auch nach Kategorien der klimatischen Atmosphäre geplant. Dies müssen wir nun aktualisieren.
Die Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin Andrea Gebhard ist Mitgründerin des Büros Mahl Gebhard Konzepte. Sie ist außerdem Präsidentin der Bundesarchitektenkammer. Im Jahr 2000 übernahm sie die Geschäftsführung der Bundesgartenschau München.